357 Issaquena Avenue |
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Wade Walton ist uns bereits einige Male "begegnet". Ob im Delta Blues Museum oder in der Hopson Plantation. Wer also war Wade Walton ? Wade war ein ortsansässiger Friseur, der in den 60ern vom englischen Historiker Paul Oliver "entdeckt" wurde. Als Harmonica-Spieler brachte er eine Platte raus: "Shake`Em On Down". Er trat regelmässig als Musiker auf, aber sein Barber-Shop war seine Haupttätigkeit. Alle durchreisenden Musiker machten bei ihm Halt: Sonny Boy Williamson II, Howlin Wolf, Ike Turner. Selbst der amerikanische Beatnik-Poet Allen Ginsberg ging in den 80er direkt bei Wade`s Shop vorbei. In dem Film "Deep Blues" kann man Wade in seinem Shop sehen. Er macht mit seinem Rasiermesser auf dem Lederstriemen einen Rythmus und singt dazu.
Alle Instrumente waren irgendwo im Inneren des Shops verborgen. Ein Schild am Eingang sagte folgendes:
"Attention: No cameras or any recording devices beyond this point"
"I knew all the time that I wasn`t treated fair But if you come to 317 Issaquena, I can still cut your hair" - Wade Walton |
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Es gibt in Clarksdale eine Anlaufstelle für Musiker, die alte oder neue Instrumente oder Verstärker suchen. Ronnie Dew ist der Besitzer von Bluestown Music. Ihn konnten wir schon abends zuvor auf der Hopson Plantation kennen lernen.
Irgendwas findet man immer. Ich suchte natürlich nach etwas was ich auch gut transportieren kann. Ein cooles Mikrofon wäre nicht schlecht. Und ich wurde fündig. Ich kaufte ein Shure Stabmico für 50$ und ein grün lackiertes Astatic. Lothar kaufte sich eine Gitarre.
317 Delta Ave |
Im Frühjahr 2011 verstarben zwei ganz große Musiker, die untrennbar mit Clarksdale verbunden waren.
Pinetop Perkins (Joe Willie Perkins) am 11. März 2011 und Big Jack "The Oil Man" Johnson am 14. März 2011. Beide liegen auf dem McLaurin Memorial Garden beerdigt.
Als wir uns dort umsahen fanden wir nur das Grab von Big Jack Johnson. Es hatte noch keinen Grabstein, dafür aber eine kleine grüne Plakette mit dem Hinweis wo er begraben liegt. Das von Pinetop Perkins fanden wir nicht. Roger Stolle von Cathead Store erwähnte das das grüne Schild von Pinetop entfernt, sprich gestohlen wurde. Wahrscheinlich irgendein bekloppter Blues-Fan.
Anfahrtsskizze |
Grab von Big Jack Johnson |
Inzwischen hat das Grab von Pinetop Perkins einen Grabstein.
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Als Bluesfan ist man auch auf der Suche nach Infos. CDs, LPs, Bücher, alte 78, Magazine, Poster, Fotos usw. Zwar haben wir nicht gezielt gesucht, aber fündig wurden wir immer. In diesem Laden in Clarksdale kauften wir Promo-CDs für 3$ das Stück. Wir wollten auf unserer Weiterfahrt gut versorgt sein. Ich kaufte 3 Bilder mit Autogrammen: Rod Piazza, Kim Wilson & Carey Bell und diverse Blues Magazine. Der Inhaber war ein schon etwas älter, aber sehr sympathischer Mann. Ihn werden wir in Memphis wieder sehen.
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Abfahrt nach Oxford, Mississippi!!
Was brachte uns nach Oxford. Naja, 3 Dinge.
Zum einen liegt hier das Blues Archiv, die größte amerikanische Ansammlung von wirklich allem was mit Blues zu tun hat. Dann wollten wir der Redaktion vom "Living Blues" einen Besuch abstatten. Sozusagen ein Trip hinter die Vorhänge. Und wir wollten Adam Gussow besuchen, einer der besten Mundharmonikaspielern heutiger Tage. Aber alles der Reihe nach.
Erstmal ganz klassisch Sightseeing betreiben und schauen, was Oxford zu bieten hat. Auffällig war der Übergang von der sichtbaren Armut, die wir in Clarksdale sehen konnten, in diese für unserer Verhältnisse sehr amerikanische Vorzeigesauberkeit. Alles hat seine Ordnung, jede Hecke wird gestutzt und die Strassen sind weitgehends voll mit Studenten und Weißen, wenn man das so sagen darf.
Trotzdem, dieser Kontrast war für uns nicht von Nachteil oder störend, er war lediglich anders und offensichtlich, diesen krassen Schnitt muss man erst mal abkönnen.
Off-Square Books in Oxford, Mississippi |
Lange bevor in diesem Sommer bei uns in Deutschland die Joghurteis-Buden überall erschienen durften wir bereits die gaumenschmeichelnden Vorteile im YaYa erkunden. Das war so lecker, das wir gleich 2 Mal vorbei schauten.
Ganz bekannt ist Oxfor nicht nur wegen seiner Universität, sondern auch wegen William Faulkner oder John Grisham.
Achja, hier ein Einblick in unsere Unterkunft. So sahen im Grunde alle aus.
Ich nutzte die Gelegenheit Adam Gussow anzurufen. Ich hatte auch Glück. Wir verabredeten uns für den Abend des folgenden Tages. Also noch genug Zeit für andere Dinge.
Auf! Auf! Keine Zeit mit stopfendem Eis vergeuden. Ab ins Archiv, welches sich auf dem Universitätsgelände befindet. In dieser einmaligen Sammlung befinden sich über 50.000 Tonaufnahmen, 15.000 Fotografien, 350 Videobänder und über 3000 Bücher. Allen gemein ist der Hintergrund des Blues, der afrikanisch-Amerkanischen Geschichte und südamerkansicher Kultur. Tausende von Briefen findet man dort. B.B. Kings persönliche Schallplattensammlung findet man dort oder die Jim O`Neal Living Blues Collection, die Trumpet Records Collection und vieles mehr.
Dieser Fundus ist Anlaufstelle für Schreiberlinge aus aller Welt. Adam Gussow hat hier viel Zeit verbracht, als er sein Buch "Seems Like Murder Here: Southern Violence and The Blues Tradition"
geschrieben hat.
Das wollten wir uns mal aus der Nähe ansehen.
Das riesige Universitätsgelände besitzt eine eigene Polizeistation. Die wollten wir uns nicht ansehen. Aber wir mussten, denn wir bekamen wegen Falschparken ein Knöllchen. Auweia! Jetzt droht Knast, unangenehme Ganzkörperinspektionen, die Ausweisung aus den USA oder schlimmstenfalls Guantanamo. Streng genommen waren Henk und ich nicht in Gefahr, denn der Fahrer war ja Lothar. Und der Wagen war auf seinen Namen registriert. Aber Freunde halten zusammen. So wollten wir ihm wenigstens Geleit zusichern, denn alle daheim gebliebenen Verwandten hätten uns nach seinen letzten Worten gelöchert. Dem wollten wir vorgreifen. Überraschenderweise fanden wir die Polizeistation sehr verlassen vor. Jene welche hatte auch den Charme einer Grundschule, die nach in Turnbeutel versteckten Pippi-Hosen riecht. Nach einigem Herumlaufen fanden wir eine nette Polizistin, die unsere Lage gleich erkannte und die Sache für beendet deklarierte. Still, aufrecht mit geradem Rücken und ohne schnelle Schrittfolge verliessen wir das Gebäude.
Wir hatten Glück oder nur eine emotional zugängliche Vollzugsbeamtin. Vielleicht waren es die Angstschweißperlen, vielleicht war es unser deutscher Akzent mit einer dümmlich anmutenden Phrasierung - es bleiben Fragen offen.
Übrigens hat sich im Archiv eine recht witzige Geschichte entwickelt. Dazu aber später mehr. Es geht dabei um Adam Gussow, einen Studenten, einem Hahn, einem Handy und die Störung einer Lesung.
Ich habe in den letzten Jahren angefangen alte amerikanische Bluesmagazine zu sammeln. Der Fundus an Informationen darin ist riesig und für mich spannend. Da der Hauptsitz der "Living Blues" in oxford liegt lag es nahe mal kurz vorbei zu schauen. Vor einigen Jahren war das Büro noch auf dem Universitätsgelände. Das war auch unsere erste Anlaufstelle. Sehr hilfsbereite Angestellte halfen uns durch ein paar Telefonate weiter. Wir verliessen also das Unigelände mit Zuversicht und Knöllchen in der Hand. Kurzum: wir mussten auf einen riesigen Parkplatz vor einem riesigen Kaufhaus. Kaum Autos parkten da und alles wirkte wieder arg verlassen. Wir baten in einem kleinen Bankgebäude wieder um Hilfe und die nette Dame telefonierte mit Mark Camarigg, der gerade das Büro von Living Blues verlassen wollte. Aber als er von uns hörte stimmte er einem Treffen mit uns zu.
Wir mussten also an den Türen des verschlossenen Riesen-Kaufhause anklopfen. Das Büro lag innerhalb des Gebäudes. Und so schaut es aus:
Mark Camarigg |
Little Sonny - Detroit Harmonica King
Daraufhin zeigte ich ihm den Artikel darüber auf seinem Mac-PC. Merkwürdig war das, äußerst merkwürdig. Aber wieder einmal stimmig.
Mit 2 wunderschönen T-Shirts unterm Arm verliessen wir recht bald das Büro und wünschten Mark alles Gute für seine Hochzeit.
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Abends trafen wir uns mit Adam Gussow. Da ich wusste, welchen Wagen er sich gekauft hatte, freuten wir uns mehr über den Chevy als über Adams Besuch :-)
Nee, Quatsch, ist gelogen, aber ebenwürdig war dieser Cheyenne allenfalls. Was für eine Augenweide. Der Wagen, natürlich, ich meine den Wagen.
www.modernbluesharmonica.com |
Meine erste Begegnung mit Adam hatte ich im Jahre 2000 in New York, aber ich will hier auch nicht so weit ausholen. Wer mehr darüber erfahren möchte kann hier nachlesen, da habe ich etwas über Adam geschrieben:
Meine erste Begegnung mit Adam Gussow
Adam Gussow - Workshop & Konzert in Münster
Wir gingen etwa 50 Meter Downtown Oxford auf der Suche nach einem schnieken Restaurant. Unterwegs ergab sich für mich folgende Gelegenheit Adam zu verblüffen. Ich erwähnte, das ich herausfinden könne, welchen Klingelton sein Handy hätte. Ich umschrieb dies und das und lenkte meinen Torpedo direkt ins Ziel: der Ruf eines Hahns (Rooster) wäre sein Klingelzeichen. "How Did You Know That !!!", sagte Adam.
Okay, hier ist die Auflösung der ganzen Story:
Als wir im Archiv waren, traf ich dort einen Studenten, der kritzelnderweise an einem Tisch saß. Daneben ein aufgeschlagenes Buch von Adam Gussow: "Seems Like Murder Here - Southern Violence and The Blues Tradition". Ich sprach ihn darauf an und das ich Adam kennen würde und wir ihn heute Abend treffen werden.
Er sagte darauf: "Ach, ihr seid das. Du hast doch gestern in der Lesung angerufen."
"Jaaa.", peinlich, peinlich. "Wieviele saßen denn da ?"
"Hm, nicht soo viele, 10 oder so."
"Ohje, das habe ich nicht gewusst, denn als ich mit Adam sprach waren im Hintergrund keine Geräsuche zu hören."
"Ja, das war total witzig, weil immer wenn Adams Handy klingelt hört man einen Hahn krähen."
Das war eine spaßige Information die ich gleich bei Adam verwenden wollte. Mentalmystische Zauberei leicht gemacht.
Wir gingen also lecker Essen und sprachen über dies und das, über den Verlauf unserer Reise, unsere Bekanntschaften unterwegs, von Mark Camarigg, über Jason Ricci und etliches Mehr. Adam war so frei uns zum Essen einzuladen. Dafür nochmals eine dickes Danke! Danach gingen wir noch ins "Rooster" (wie passend!), einer Blueskneipe mit 2 Etagen im Ortskern Oxfords. Es gab eine recht junge Funkband.
Der Tag war lang und so verabschiedeten wir Adam bald wieder, aber wir sollten uns noch einmal wieder sehen. Dazu aber später mehr.
Für usn war es auch Zeit schlafen zu gehen, denn wir sind ja keine 20 mehr. Morgen geht die Reise weiter.