Dienstag, 1. November 2011

Tag 8: Leland & Clarksdale



Der nächste Stop nach Greenville war Leland, u.a. die Geburtstadt von Johnny Winter. Teilweise sah es hier aus wie in einer Kulisse aus "Western von Gestern". Ich erwartete jeden Moment Zorro, der auf seinem schwarzen Pferd um die Ecke käme und peitschenschlagartig am Ende der Strasse in einer Staubwolke verschwinden würde. Nichts dergleichen geschah. Schade eigentlich.

Und wieder waren wir scheinbar allein unterwegs. In all den Orten, die wir hinter uns liessen, ging es sehr gemütlich zu. Überfüllte Strassen ? Massen an bewegten Autos ? Spielende Kinder? Leben ?? - Fehlanzeige. Und fand man doch einige Einwohner, so reagierten sie mit der Geschwindigkeit einer Kerwende der Titanic.
Das ist nicht abwertig gemeint, es läßt nur erahnen wieviel Gelassenheit ich bei uns in Deutschland vermisse.

Strassenbild in Leland
Der Blues Trail Marker von Johnny Winter
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http://www.highway61blues.com/
Unser Anreiseziel war das "Highway 61" Museum. Wir wussten, das James "Son" Thomas aus Leland kam und ein bekannter Bluesmusiker war. Als wir ins Museum kamen, waren wir sehr überrascht seinen Sohn Pat Thomas anzutreffen. Was für ein Zufall. Zu ihm komme ich später noch zurück. Zunächst ein paar Eindrücke aus dem Museum selbst.

Pat Thomas
"Hwy 10 & 82" by Jay Kirgis
Im Museum finden sich sehr viele Objekte & Bilder die von lokalen Künstlern erstellt wurden. Meist haben sie einen Bezug zum Blues und zu den Menschen im Mississippi Delta.
Das obige Bild stammt von Jay Kirgis. Er zog vor ein paar Jahren aus Ohio ins Delta und ist ein ausgezeichneter Künstler, der viele Fundstücke in seinen Werken verarbeitet. Er ist selbst auch Bluesmusiker und lebt inzwischen in Texas. Ich habe das obige Bild in 3 Abschnitte geteilt, um mehr Details zu zeigen.

Greenville, Willie Foster & eine zerlegte Harmonika
Johnny Winter Stuff
Eden Brent & Boogaloo Ames - Da ist sie wieder!

Konzertjacke von Bobby Rush
Sam Chatmon

Eddie Shaw, langjähriger Saxophonist bei Howlin`Wolf. Ihn trafen wir auch am Ende der Reise in Memphis bei den Blues Awards.

Tonköpfe von James "Son" Thomas








Son Thomas
Jack Owens & Bud Spires by Bill Steber
Gürtelschnalle und Harp von Willie Foster
Boogaloo Ames
Links: Anzug Bobby Rush & rechts: Anzug Boogaloo Ames
Alan Orlick - da traf man sich wieder. Erst die Bodenplatten in Greenville und jetzt hier in Leland.

Draussen vor dem Museum nutzten wir das tolle Wetter für ein Fotoshooting, bevor uns Pat Thomas zu sich nach Hause einlud. Er wollte uns zeigen wir er lebt und wie er seine Objekte aus Ton gestaltet.
Im Auto mit Pat


Pat`s Zuhause

Am Grab von James "Son" Thomas






Zum Abschluß erzählte uns Pat von einem Fotografen, der mit ihm Bilder an einer alten Tankstelle gemacht hatte. Das hörte Lothar und war Feuer und äh.. Flamme. Für Pat kein Problem und hier sind ein paar Schüsse.


Wir brachten Pat wieder zurück zum Museum. Wir hatten eine ganz spannende Geschichte hinter uns. Sozusagen ganz nah dran am heutigen Blues. Authentisch ? Ja und Nein. Wir sind diejenigen, die wieder zurück fliegen und auch materiell unbesorgt den Alltag gestalten können. Pat hingegen lebt von seiner Kunst, vom Respekt der Touristen und von der Selbstverständlichkeit das zu honorieren. Es ist also beides. Authentizität und Geld. Ohne eines von beiden würde es der heutige Blues sehr schwer haben. Und trotz dieses Wissens und auch dem Bedüfnis wenigstens mit Geld zu helfen, zu unterstützen, bleibt ein kleines Gefühl der Scham. Aber andererseits tut man was man kann. Und das ist auch schon viel!

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Dann ging die Reise weiter. Nicht unweit von Leland liegt das vermutete Grab von Charlie Patton und das tatsächliche von Willie Foster. Und ein paar Meilen daneben der Marker von Jimmy Reed.


Auch hier findet man einen Friedhof vor, der mit unseren Maßstäben nicht viel gemein hat. Grabsteine, wenn vorhanden, stehen, wo gerade Platz ist, liegen umgekippt oder angebrochen auf einer feldartigen Wiese.
Wie man auf dem Foto gut erkennen kann, ist das "Grünzeug" flächendeckend eher braun. Vertrocknet oder durch Pestizide abgestorben, wer weiß das schon.
Es ist kein alter Friedhof. Er ist sozusagen noch in Betrieb. Im Hintergrund befinden sich Abstellplätze für Trucks und Anhänger. Direkt daneben befindet sich eine Mühle, die noch in Funktion ist.









http://de.wikipedia.org/wiki/Charley_Patton
Charlie Patton - der "Vater des Delta Blues"

 



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Das Delta von Heute - Nicht anders als das Delta von Gestern

Ein langer Tag geht zu Ende und es wurde Zeit sich einen Schlafplatz zu suchen. Und den fanden wir dann auch: in Bates Motel in Clarksdale! Äh, sagte ich Bates Motel ?? schon irre wie abgespeicherte Gefühle einem ins Wortwerk pfuschen können.  


Dabei war es nur das Uptown Motor Inn, einem Motel ganz nach dem Geschmack von verklemmten Transvestiten mit starkem Muttersyndrom. Ausser einem Internet-Funkloch und der Abwesenheit von Duschvorhängen gibt es nix zu berichten was nervöses Nägelkauen bewirken könne. Man schlief an sich jeder für sich gemeinsam den Schlaf der Gerechten. Aber bevor das Bett der Abschluss des ersten Abends in Clarksdale sein sollte ging es ab auf die Piste. Ab zum "Cathead - delta blues 6 folk art, inc." inmitten der "City".
252 Delta Avenue in historic downtown Clarksdale, Mississippi 38614
Roger Stolle in seinem Laden

Inhaber dieser Anlaufstelle für alles was mit Blues zu tun hat ist Roger Stolle, ein passionierter Blues-Liebhaber der vor Jahren seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. In seinem Laden gibt es CDs, Bücher, Magazine und Kunst lokaler Künstler zu kaufen. Dabei ist er nicht nur Ladenbesitzer. Er promotet auch Musiker und hat ein eigenes Plattenlabel.
Stark eingeschlagen hat die Dokumentation "M For Missisippi" die 2009 einen Blues Award gewonnen hat. Roger Stolle und Jeff Konkel haben sich auf die Suche gemacht wo es im Mississippi Delta noch den lebendigen Blues gibt. Und sie wurden fündig.

Cat Head Delta Blues & Folk Art — Keeping The Blues Alive (KBA),
Blues Music Award (BMA) and Living Blues Award-winning store, record/film label and more.

One of the 17 coolest record stores in America” (Paste magazine).
Included in books such as 1,000 Places to See Before You Die, NY Times’ 36 Hours, and Lonely Planet.

                                                                              “Cat Head is the
                                                                                store I always
                                                                               wanted to walk
                                                                                 into but could
                                                                                 never find...”


Und Roger Stolle hat das Buch "Hidden History of Mississippi Blues" geschrieben. Mit den wunderbaren Fotos von Lou Bopp gibt es von mir die Empfehlung das Buch zu lesen. Es ist das aktuellste und fundierteste Buch über den Delta Blues und den heutigen dort lebenden Musikern. Man erfährt eine Menge über die Menschen die den Blues leben und spielen: Big George Brock, Frank Ratliff (Besitzer des Riverside Cafès), CeDell Davis, T-Model Ford, Red Paden (Besitzer der Red`s Lounge), Pat Thomas, Terry "Harmonica" Bean, Mark "Muleman" Massey, Jimmy "Duck" Holmes, Bud Spires, Robert Belfour, "Cadillac" John Nolden, Big Jack Johnson u.a.
Was ist noch übrig geblieben ? Wer führt den Blues weiter ? Gibt es noch Juke Joints ?
Roger war so nett mir sein Buch zu signieren
 

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So lange das schwindende Tageslicht nicht die Sicht versperrt gingen wir kurz nachsehen ob der Ground Zero Blues Club noch steht. Wir hatten Erfolg.
Mitbesitzer ist der US-Schauspieler Morgan Freeman. Seit ein paar Jahren ist es DER Blues Club in Clarksdale und Umgebung.
0 Blues Alley, Clarksdale, MS, 38614
http://www.groundzerobluesclub.com/














































 Vor der Tür parkt eine Limousine und ist man erstmal drin findet man sich in einem Raum wieder, der von aussen kleiner wirkt. Überall hängen Plakate und Instrumente. Jeder freie Platz ist mit Unterschriften gekennzeichnet. Das Herzstück ist die große Bühne mit hauseigenem Instrumentarium.


Die Amerikaner lieben die Privatssphäre. Im Ground Zero jedoch ist man auf Du & Du und da spielen andere Dinge eine Rolle als die äh.... Klopapierrolle. Ach was, man soll sich nicht so anstellen. Auch wenn das nicht jedermanns Stil ist, so muss man da eben durch wenn man müssen muss. Was bleibt einem schon übrig.
Mittlerweile ist es Nacht geworden und der Club beginnt zu leuchten. Es kommt Stimmung auf und diese leicht gespenstige Grundfärbung, gepaart mit dem Wissen irgendwo im Nirgendwo, an einem der bedeutestens Plätze der Blues- und Musikgeschichte zu sein läßt es unwirklich erscheinen. Und doch ist es genau der Ort wo wir sein wollten und wir wurden in unseren Vorstellungen nicht enttäuscht.
Lothar und ich nutzten die Zeit um werbewirksame Fotos zu erstellen. Die Bierflasche wurde künstlich illuminiert und das WIE bleibt unser Geheimnis, denn wir arbeiten ja bneruflich an einem zweiten Standbein. Alle Optionen offen. Achja - und überall wieder mein Aufkleber von meinem Mundharmonika-Blog.

Aber die Bedbugs haben sich auch verweigt. Festgetackert sind wir jetzt Teil des Clubs und freuen uns schon auf ein Wiedersehen.
Och nöööööööööööööö, nicht schon wieder ein Aufkleber und dann noch an der Eingangstür, das geht aber zu weit!
Wir hatten die tolle Gelegenheit Mark Massey kennen zu lernen. Uns war er bis dato absolut unbekannt, aber wir sind froh darüber unseren Horizont erweitert zu haben. Mark ist jemand von dem man noch viel hören wird. Seine Biografie ist zu 100% Klischee und doch so wahr wie mein linkes schielende Auge. Da nützt keine Augenwischerei, es bleibt was es ist.
In der Liner Notes zu Mark Massey`s CD "Mississippi Lockdown" findet sich folgender Text (frei übersetzt):
"Seit es den Blues gibt scheinen sich bestimme Themen ständig zu wiederholen: Whiskey, Probleme mit  Frauen und schwere Zeiten in einem Gefängnis. Ein gefängnis sticht hierbei besonders hervor: Parchman Farm - das Mississippi Staatsgefängnis.
Viele Bluesmusiker haben über dieses Gefängnis Lieder geschrieben, wie z.B. Bukka White, der im Parchman einige Zeit verbringen musste. Make "Muleman" Massey ist noch so jemand. Marks Lied "17 Long Years" handelt von dieser Zeit. Aufgrund guter Führung musste er nur einen Teil dieser Strafe absitzen. Dazu gab es 2 wichtige Ereignisse in seinem Leben: sein Sohn, der zu Hause auf ihn wartete und die besondere Beziehung zu Wendell Cannon, Leiter der Parchman Farm. Denn er lehrte ihm die nötige Selbstdiziplin, um das Gefängnis zu überstehen und förderte sein musikalisches Talent und was es bedeutet ein professioneller Musiker zu sein.
Mark beendete seinen Gefängnisaufenthalt, kehrte zu seiner Familie zurück und führt heute ein Autoreifengeschäft. Dazu gehören auch seine Esel, die ihm seinen Spitznamen gaben. Er hatte seinen eigenen Garten, zog Schweine auf und verkaufte auch die dadurch entstandenen Produkte.
Seit seiner Entlassung hatte Mark die Gelegenheit von lokalen Bluesmusikern wie RL Burnside, Junior Kimbrough, Blind Mississippi Morris und Big Jack Johnson zu lernen, übernahm ihre spielerischen Ideen und formte durch deren Einflüsse seinen eigenen Stil.
Seine CD "Mississippi Lockdown" zeigt mit Hilfe einiger seiner wichtigsten musikalischen Wegbestreiter diese Einflüsse: Billy Earheart, von den Amazing Rhythm Aces und Hank Williams Jr`s Bama Band am Keyboard.
Statt mit der Parchman Band aufzutreten hat Mark einen monatlichen Auftritt im Ground Zero Blues Club, Clarksdale. Man kann ihn auch an Plätzen wie Red`s Lounge antreffen oder einigen anderen lokalen Juke Joints in und um Clarksdale.
Heute spricht er davon für Gefängnis-Insassen zu spielen, statt selbst Insasse zu sein. Sein Traum ist es das musikalische Förderprogramm im Parchman Gefängnis zu etablieren, da es ihm wortwörtlich das Leben gerettet hat."

Der Grund für Marks Aufenthalt im Parchman Gefängnis war übrigens Mord.

 




 
 


 

 Für mich war es ein Traum einmal im GZBG zu spielen. Und wie man sehen konnte hat es geklappt.








Zu später Stunde, weit nach Mark Masseys Konzert gab es noch als Zugabe ein kleines Extra-Konzert mit Josh "Razorblade" Stewart, Jahrgang 47`. Das war Soul pur, ein Ladies Man durch und durch und der best gekleidete Mann im ganzen Raum. Das hat Stil.


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Zum Abschluss des heutigen Tages noch ein paar wichtige Infos zu Clarksdale und den Sehenswürdigkeiten drum herum. Für uns geht ein sehr voller und ereignisreicher Tag zu Ende und es kommen noch ein paar Mehr hinterher. Nur Geduld, denn die Arbeit an diesem Blog ist sehr aufwändig und zeitintensiv, aber ich bleibe am Ball.