Montag, 30. Mai 2011

Tag 2 - New Orleans - Die 2nd Line

Der frühe Vogel lag noch in den Federn, als wir aus unerfindlichen Gründen ziemlich ausgeschlafen die ersten im Hinterhof des India House waren und unseren Kaffee mit pulverisierten Michlweißer tranken, der übrigens die Konistenz von Bröselkalk aus einer Fußleisten-Ritze hat. Erst kommt der Kaffee, dann das Atmen.
Die Hitze macht es nötig sich umzustellen. Kaum hier, schon Sonnenbrände, wobei wir uns unterschiedlichster Körperpartien bedienen. Nacken, Stirn oder das sonst eher geflügelblasse Brustbein – alles im Programm. Zweimal duschen ist Routine geworden und der Bestand an Wechselwäsche schrumpft zunehmend. Nach bereits 2 Tagen!
Jetzt aber zur Kultur.
New Orleans ohne Parade ist wie Kartoffelpü ohne ree. Diese wummige Veranstaltung namens Mardi Gras ist in der Regel größer als der Karneval auf unseren Strassen und lange nicht so schnarchend. Er ist nur in der großen Variante touristenbedienendes Kulturgut und hat mit dem echten Leben nicht viel zu tun.
Den Mardi Gras haben wir nicht gesehen, dafür aber einen „Second Line“. Was ist das ?
Diese Parade ist kleiner, nur ein oder zwei Frontwagen und dahinter eine Brassband, die sich gewaschen hat. Diese hier startete in einer der Viertel, wo ein Touri sich nicht mal verirren würde. Dieser Umzug war nirgends angekündigt, stand in keiner Tageszeitung. Das funktioniert nur durch Mund-Zu-Mund-Propaganda. Woher wir das wussten ? Dank Burkhard, denn er ist New Orleans-Experte und seine Tips sind für uns Gold wert.



Kaum den Wagen geparkt kamen wir auch ins Gespräch mit jemanden, der sich noch besser auskennt. Sein heisser Tip zeigte in die Richtung, wo man vermutlich das Glück finden sollte. Haben wir auch: hier ist der Beweis !!!

Second Line“ bedeutet, dass sich hinter der mit Trompeten, Tubas, leeren Flaschen mit Drumsticks, Schellenkränzen und anderem krach machendem Instrumentarium eine Gruppe von Einheimischen anhängt und diesen Umzug begleitet. Diese Gruppe tanzt, swingt und rollt sich hüftschwingend durch das Viertel.

Aber zuerst war Warten angesagt. Lothar und ich zogen mal um den Block, wir wollten sehen, was sich hinter der Kreuzung verbarg. Wir sahen ein paar in ihrer Art besondere Häuser.


Die anderen wurden mit biblischen Kreuzworträtseln beschäftigt. Ich fand diese Arbeitsblätter, die scheinbar aus einem Kindergottesdienst kamen, auf der Strasse.


Der BBQ - Wagen war unser erstes Indiz das wir richtig lagen! Denn noch war so gut wie nichts zu sehen.



Nach mehr als einer Stunde waren wir nicht mehr allein. Es tümmelten sich mehr und mehr Leute um diese Kreuzung, irgendwo in den Outskirts von New Orleans.

Auf deutschen Strassen wären phosphorezierende Radlerhosen undenkbar. Hier zählt nur die einheitsgraue Rentnerinnen-Dauerwelle. In New Orleans jedoch gehört das farbenfrohe Kleiderspiel zum guten Ton.
Aber dann! Dann ging es los!















Vereinzelt suchen sich einige höher gelegene Plattformen wie Garagendächer, Haus-Verandas oder Stromkästen aus um ihre Tanzeinlagen als Teil des Ganzen einzubringen. Der Mob tobt und einige dieser Paraden gehen über 5 Stunden – wir waren lediglich 2 Stunden dabei. An einigen Ecken werden Pausen eingelegt, denn diese Musiker leisten unglaubliches.
Man muss wissen: Vor den Musikern laufen in blau-orangenen Kostümen Tänzer vorweg, u.a. auch einer im Rollstuhl!










Der Friedhof war nur für die Teilnehmer der Second Line eine Zwischenstation, für andere eben die Endstation um ins Jenseits zu lauschen.
Unterwegs waren wir übrigens immer mit frischen Getränken versorgt und der BBQ-Wagen war auch immer an der richtigen Stelle.

Mjamm Mjamm - das haben sich Mia und Burkhard verdient. Nach einem 3 Stunden Gang waren wir fertig, aber die Second Line noch nicht zu Ende. Die heisse Sonne sorgte für Verbrennungen in Geheimratsecken, an Unterarmen und an Nackenstellen. Also auf, zurück zum India-House und nur ein Ziel: die Dusche!!
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Abends waren wir bei John Lisi & Jason Ricci. Sie spielten im „Cafe Negril“ sehr dynamischen Funk. Diese Kombination funktioniert perfekt. Jason und John sangen abwechselnd, die Songs gingen fliessend ineinander über. Wir waren vielleicht 25 Leute, eine Begleiterscheinung des Überangebots vor Ort. Aber die Stimmung war super. Aufallend ist bei allen Konzerten die hemmungslose Bereitschaft zu spontanen Tanzeinlagen. Ansteckend für alle im Raum Befindlichen.
Jason war wie gewohnt Over The Top und sein Harmonika-Spiel ist wie immer brilliant und inspirierend.

















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Um die Ecke spielte zur gleichen Zeit Andy. J. Forest.
Vor 20 Jahren kaufte ich in den Anfängen meiner Blues-Karriere bei SATUN in Köln seine CD “Hogwild“. Das Cover zeigte Andy mit einer im Mund quer sitzenden diatonischen Harp. Das war der ausschlaggebende Grund sie zu kaufen, denn ich wusste über die Vielfalt der Harpspieler nicht viel. Also war meine einzige Chance der bedingungslose Blindkauf. Keine schlechte Wahl! Für mich ist es immer eine große Freude Musiker zu treffen die ich schon seit Jahren „kenne“.





















Und es war erst Tag 2.
Tag 3 folgt bald.

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